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Sunny und die Stadt – Ein Filmessay von Rolf Coulanges


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Sunny und die Stadt
Über den dokumentarischen Blick im Film Solo Sunny von Konrad Wolf

Dieser Filmessay folgt der bildgestaltenden Arbeit des Kameramannes Eberhard Geick, welche er für den DEFA-Film SOLO SUNNY in Zusammenarbeit mit seinem Regisseur Konrad Wolf geschaffen hat. Es geht darin um die Verwirklichung eines dokumentarischen Blicks der Kamera, der zum prägenden künstlerischen Element des Spielfilms SOLO SUNNY werden sollte.

Die Hauptfigur des Films, Sunny, hat Probleme mit dem geregelten Leben einer sozialistischen Werktätigen und verdient ihr Geld lieber mit Gesangseinlagen bei Betriebsfesten und Events der Kulturhäuser. Als Sängerin einer Popband versucht sie, eine von den gesellschaftlichen Reglements unabhängige Existenz zu führen. Sunnys Leben ist dabei untrennbar mit den Arbeitervierteln in der Mitte Berlins und dem dortigen Stadtteil Prenzlauer Berg verbunden. Hier gibt es in den vernachlässigten Häusern noch die Wohnungen, die Sunny bezahlen kann, und hier gibt es die unangepassten Menschen, deren Nähe sie sucht.

Konrad Wolf wollte für seine Geschichte auf jeden Fall eine starke Präsenz dieses großen, aber auch besonderen Berliner Stadtteils sicherstellen, der Sunnys Leben bestimmt. Mitten in Berlin sollte der Film gedreht werden, ohne nachgebaute Straßenfassaden im Atelier oder nachinszenierten Milieus im Spielfilmstudio. Dazu holte er sich den Kameramann Eberhard Geick aus dem Dokumentarfilmstudio der DEFA, der – wie Sunny im Film – ebenfalls im Prenzlauer Berg lebte und als Kameramann für Dokumentarfilme arbeitete. Wolf wollte sogar, dass Geick, obwohl Dokumentarfilmer, den kompletten Spielfilm drehte, damit der dokumentarische Blick der Kamera auf die Prenzlauer Verhältnisse niemals zu nostalgischen Ansichten Berliner Hinterhöfe werden, sondern von Eberhard Geicks eigener Erfahrung in dieser Stadt geprägt sein sollte.

Das Schweigen zwischen den kargen Dialogen der Filmprotagonisten findet seine Entsprechung in den Blicken der Kamera durch die maroden Fenster der Wohnungen in das Grau der Hinterhöfe und deren Verfall. Diese Szenen sind wie Stillleben, die vom Lärm und der Geschwindigkeit der Schnellbahnzüge der Stadt durchbrochen werden; eine großartige Abstraktion, die sich in den statischen Bildern von Brandmauern und Hinterhöfen verbirgt, und welche gleichzeitig die Ungeduld Sunnys spüren lässt. Nur scheinbar im Gegensatz dazu steht die aus der Hand geführte Kamera, trotz aller Schnelligkeit ihr genaues Hinsehen, das sich auf bestimmte Momente der Nähe und eine bruchlose Kontinuität der Zeit konzentriert, wie ein rastloser Gegensatz zu den ruhenden Bildern der Montage.

Aufnahmen des Fotografen Eberhard Geick, die im Bezirk Berlin Mitte über viele Jahre entstanden, geben Einblicke in seinen dokumentarischen Blick, der zum Ausgangspunkt von SOLO SUNNY wurde. Entstanden ist mit Geicks Arbeit eine großartige Symbiose von dokumentarischer und inszenierter Bildgestaltung; ohne die Routinen des Erzählkinos mit einem Blick für den dokumentarischen Gestus des Films gedreht von jemandem, der diese Stadt im eigenen Leben erfahren hatte und sie für einen Spielfilm fotografieren kann.

Rolf Coulanges

Der Vortrag fand als Beitrag des BVK beim International Cinematography Summit des ASC 2023 in Los Angeles statt.

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