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Ein sehr feiner Mensch

DoP Birgit Gudjonsdottir erinnert sich an Niels Maier

Niels Maier, Oberbeleuchter und Mitgründer der Maier Bros., ist am 14. Juni 2023 bei einem Unfall im US-Bundesstaat Idaho zu Tode gekommen. Mit ihm verliert die deutsche Filmbranche einen innovativen Visionär, einen Lichtvermittler und vor allem einen Kollegen und Freund, der immer menschlich blieb und für seine Geradlinigkeit bekannt war. Die Bildgestalterin Birgit Gudjonsdottir arbeitete wiederholt mit Niels Maier zusammen und erinnert sich an ihren guten Freund.

Foto © Stephan Fenzl

Ich traf Niels zum ersten Mal bei den Dreharbeiten zu „Opernball“ in 1997, wo er Oberbeleuchter war und ich die Second-Unit-Kamera führte. Er hat mich beeindruckt, weil er sich für sein Team einsetzte und sich mit Regie und Produktion wegen der langen Arbeitszeiten anlegte. Die Sicherheit seiner Mitarbeit lag ihm sehr am Herzen. Mir ist damals schon aufgefallen, wieviel er sich mit dem Licht beschäftigt hat und wir hatten viele, schöne Gespräche.

Lange Zeit haben wir gar nicht an einem Projekt zusammengearbeitet, liefen uns aber immer wieder über den Weg. Wir saßen zusammen bei der CiNEC in der Jury. Da habe ich noch einmal gemerkt, mit wieviel Liebe er seinen Beruf ausübt und wie visionär er gedacht hat. Er hat sich in seiner Arbeit immer gefragt, wir wir das Licht verbessern können. Welche Lampe ist die richtige für den Job? LED klingt erstmal energiesparend. Aber ist es das immer? Und so fragte er: Wie können wir energieeffizienter sein? Aus solchen Fragen gingen dann die Innovationen seines Unternehmens hervor. Der hybride Generator mit Solarpanel, der dafür sorgt, dass nicht wegen einem Fön und einem Handyladegerät Diesel verbraucht wird. Oder die Pappreflektoren. Die sind so klug – in jeder Hinsicht besser als die Styros, umweltfreundlicher und haltbarer. Ich habe ihn gefragt: „Warum verteilst Du die Bauanleitung und verkaufst die nicht selber?“ „Wir wollen daran nichts verdienen“, hat er geantwortet. „Die Branche muss lernen, umzudenken.“

Wir haben sehr viel über Nachhaltigkeit diskutiert. Wir haben uns gegenseitig Videos und Links hin und her geschickt und haben über Michael Braungart und sein „From Cradle to Cradle“-Prinzip gesprochen. Auch bei den beiden letzten Projekten, an denen wir zusammen gearbeitet haben, war das ein Thema. Als wir über das Licht von „Die Rüden“ sprachen, wollte ich die Arena mit vielen SkyPanels ausleuchten, um größtmögliche Kontrolle zu haben. Da hat er mir vorgerechnet, was das an Energie kosten würde. Am Ende entschieden wir uns für fünf Kunstlicht-Stufenlinsen mit großen Frostrahmen. Das war die wesentlich besser Wahl und hat mich total verblüfft.

Bei der Vorbereitung zum Fotobuch für die Passionsfestspiele Oberammergau haben wir uns Gemälde angeguckt und ich habe ihm gezeigt, in welche Richtung ich gehen möchte. Das waren vor allem zwei Werke, deren Licht mich beeindruckte, „Die Pest in Rom“ aus 1869 von Jules Eile Delaunay und „Das Floß der Medusa“ aus 1819 von Théodore Gericault. Wir haben dann viel mit Reflektoren gearbeitet. Und am Ende war das Licht auf meinen Fotos genau wie das auf diesen Gemälden – als wären sie gemalt von Licht, mit einer ganz eigenen Struktur. Sie sahen nicht wie fotografiert aus. Es ist so, wie ich mir das gewünscht habe. Meinen Wunsch zu erfüllen, indem er mich in Frage stellt, nicht mir nach dem Mund redet, das war eine Qualität von ihm. Ein echter Vermittler zwischen Kunst und Technologie.

Niels war der Erste, den ich anrief, um ihm zu sagen, dass wir die Cinematographinnen gründen. Er hat sofort seine Unterstützung zugesagt und war für spätere Supporter der Türöffner. „Die Maier Bros. sind schon dabei.“ Das hatte Gewicht. Dafür bin ich unheimlich dankbar. Schon vorher hatte er immer versucht, Frauen in seinen Lichtcrews zu haben. Das war ihm wichtig. Wie ihm auch wichtig war, sein Wissen weiter zu geben. Er konnte sehr gut komplizierte Zusammenhänge leicht verständlich erklären. „Stellt die Fragen, die ihr sonst nicht zu stellen wagt!“ rief er uns bei einem Workshop für die Cinematographinnen zu.

Ich kenne niemanden, der so gedacht hat wie er. Er war visionär, er war liebenswürdig, er war ein sehr feiner Mensch. Ich habe einen Wunsch an die Menschen in der Branche: Tretet in seine Fußstapfen! Führt das weiter, womit Niels angefangen hat!

Inhalt: Birgit Gudjonsdottir, Text: Timo Landsiedel

Dieser Text entstand für die Ausgabe 9/2023 vom Fachmagazin Film & TV Kamera und erschien vorab hier: https://www.filmundtvkamera.de/branche/ein-sehr-feiner-mensch/ Die Ausgabe ist ab dem 18. August 2023 digital und gedruckt erhältlich.

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